Näder Holding - Das Familienimperium Ottobock

2023-01-18
Lesezeit: 5 min

Die Näder Holding stellt die Management- und Beteiligungsfirma der Familie Näder dar. Kern der Näder Holding ist dabei die Ottobock SE & KGaA im Bereich der Medizintechnik. Der Konzern hat beträchtliche Kennzahlen zu bieten: Weltweit sind über 8.200 Mitarbeiter in 59 Ländern beschäftigt. Das Unternehmen zählt zu den Weltmarktführern im Bereich der Prothesentechnologie. 2019 wurde ein Jahresüberschuss von mehr als einer Milliarde Euro erwirtschaftet. Beschäftigt man sich aber mit der Unternehmensgeschichte und den Geschäftsberichten etwas näher, wird eines klar: So stabil wie es scheint, ist das Geschäft nicht.

Übernahme ab 1990

Mit gerade einmal 28 Jahren übernahm Hans Georg Näder von seinem Vater Max Näder die Führung des Familienimperiums. Max Näder, Schwiegersohn des Firmengründers Otto Bock, konnte das Unternehmen in der Nachkriegszeit erneut aufbauen und führte es zu einer erfolgreichen Wettbewerbsposition.

Der Druck, der auf den Schultern von Hans Georg Näder in diesem Jahr der Übernahme lag, war hoch. Er hatte nicht nur die Verantwortung für das Familienimperium, sondern musste auch der Rolle eines Vaters gerecht werden. Im selben Jahr wurde seine erste Tochter Julia geboren. Die Kritik von außerhalb war groß. Dieser konnte er aber gerecht werden.

Mit der Jahrtausendwende vor Augen, führt Näder neue Betriebsfelder ein. Darunter fällt beispielsweise das Feld der EDV-Technik. Dies sollte der Grundstein für den Digitalisierungsdienstleister Sycor sein. Die Otto Bock Holding GmbH war nun in den Sparten Health Care, Kunststoff und IT aufgestellt und konnte so ein enormes Wachstumspotential aufweisen und verwirklichen.

Die Tochtergesellschaft Sycor

Die Tochtergesellschaft Sycor strebte im November 2018 eine Fusion mit dem IT-Dienstleister Allgeier Enterprise Services an. Der Zusammenschluss hätte laut Pressemittelungen enorme Chancen ergeben können mit einem Umsatz von mehr als 220 Millionen Euro. Ziel war es, zu einem „führenden Full-Service-Anbieter für SAP- und Microsoft-Services im IT-Beratungsmarkt" weiter ausgebaut zu werden. Zu dieser strategischen Fusion kam es jedoch nicht. Bereits Anfang des Jahres 2019 wurde verkündet, dass die Zusammenarbeit der beiden Firmen beendet ist. Ottobock beendete die Partnerschaft. Grund hierfür seien unterschiedliche Ansichten über die Führung und die Ausrichtung des Unternehmens.

Die nächste Generation

Die beiden Töchter von Hans Georg Näder sind auch Teil des Familienimperiums und tragen eine hohe Verantwortung in ihren Positionen. Sie stammen aus den gescheiterten Ehen des Vaters.

Die ältere der beiden Schwestern, Julia, ist Vorstandsmitglied der Ottobock Firmengruppe. Den Traum, professionell Reitsport zu betreiben, musste sie bereits mit 22 Jahren aufgeben. In diesem Alter hatte sie einen schwerwiegenden Unfall – ausgerechnet beim Reiten. Bei einem Sturz vom Pferd brach sie sich den Rücken sowie mehrere Rippen und erlitt innere Blutungen. Heute ist sie auf die Hilfe von orthopädischen Produkten angewiesen, geliefert vom eigenen Familienunternehmen.Göttinger Tagesblatt (05.10.2021)

Näders jüngere Tochter wurde 1997 geboren. Genau wie schon ihre große Schwester auch, absolvierte sie ihr Abitur im Internat Louisenlund. Das kam zeitlich gut gelegen, denn Zuhause gab es zu der Zeit viel Stress: Die Eltern trennten sich. Parallel zum Studium übernahm Georgina Näder 2017 schon Verantwortung im Familienunternehmen. Ihr Vater sicherte ihr einen Platz in der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat. Die damals 20-järhrige gehört damit zu den jüngsten in einer solch hohen Position. Für Georgina war dies aber eine große Motivation sich zu beweisen.

Plötzlicher Personalwechsel

Dass es in der Personalkultur der Näder Holding nicht immer so friedlich abläuft, zeigen die aktuellen Geschehnisse aus dem Jahr 2022. Gleich drei der wichtigsten Mitglieder des Managements im Sommer entlassen.

Kathrin Dahnke, ehemalige CFO (Chief Financial Officer), zuständig für den Finanzbereich des Unternehmens, war das erste Opfer der willkürlichen Kündigungswelle. Dabei war die Managerin erst im Herbst des Vorjahres zu Näders Firma gestoßen und sorgte für Hoffnung. Die 61-jährige blieb gerade einmal neun Monate bei der Ottobock Gruppe. Eine so kurze Zeitspanne sei vor Antritt nicht geplant gewesen. Vergleicht man diese Amtszeit jedoch mit der ihrer Vorgänger, relativiert sich diese ungewöhnliche Dauer. Seit 2017 versuchten sieben CFOs das Unternehmen auf einen finanziell besseren Kurs zu bringen. Geschafft hat es niemand. Momentan übernimmt Arne Kreitz den CFO-Posten. Dabei war Dahnke in dem Unternehmen keine Unbekannte: Bereits von 1995 bis 2005 besetzte sie eine leitende Stelle und half dabei, die Firma zu stärken.

Auch der CEO (Chief Executive Officer) Phillip Schulte-Noelle und CTO (Chief Technology Officer) Andreas Goppelt mussten das Unternehmen verlassen. Ihre Posten haben Arne Jörn und Oliver Jacobi übernommen. Dahnke, Schulte-Noelle und Goppelt gehörten zu den wichtigsten Personalien des Unternehmens. Handelsblatt (19. Mai 2022)

Erneutes Scheitern beim Börsengang

Auch in diesem Jahr sollte es mit einem geplanten Börsengang nicht funktionieren. Immer wieder kündigte Hans Georg Näder an, das Unternehmen an die Börse zu bringen. Diesen Worten folgten allerdings bislang noch keine Taten.

Unruhen in der Unternehmensumwelt seien der Grund für die erneute Verschiebung gewesen. Fraglich dabei ist, ob diese Unruhen nicht hausgemacht sein könnten. In der Woche vor dem IPO kam es zu der bereits erwähnten kuriosen Kündigungswelle, bei der drei der wichtigsten Managementpositionen im Unternehmen neu besetzt werden mussten. Egal ob diese Personalentscheidungen gerechtfertigt waren oder nicht, sollte man als Vorstandsvorsitzender so kurz vor Börsengang eine solche Unternehmensentscheidung publik machen.

Sinkendes Eigenkapital

Auch wenn die Unternehmensumsätze der Näder Holding in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum erzielen konnten und durchgängig ausgebaut wurden, fällt bei näherer Betrachtung auf, dass es in manchen Jahren sogar zu Jahresfehlbeträgen gekommen ist. Grund hierfür ist, dass Hans Georg Näder immer wieder private Entnahmen aus der Firmenkasse getätigt hat. 2012 verzeichnete das Unternehmen einen Gewinn von 10,8 Millionen Euro. Im Gegensatz zu Näders Entnahme von etwa 50 Millionen Euro ist dieser Betrag jedoch verschwindend gering. 2015 nahm Näder noch einmal fast den doppelten Betrag heraus. Innerhalb der letzten Dekade summierten sich die Entnahmen zu privaten Zwecken auf eine halbe Milliarde Euro. Business Insider (07. Juli 2021)

Das Kapital würde zur Förderung von Projekten benutzt die nicht in direkter Verbindung mit der Näder Holding stehen. Zu nennen ist an dieser Stelle beispielsweise die Hans Georg Näder Kunsthalle in seiner Heimatstadt Duderstadt. Diese Ausstellung zeigt die privaten Sammelstücke des Kunstliebhabers.

Auch der Kauf und Ausbau der ehemaligen Bötzow Brauerei in Berlin war sehr kostenintensiv. Die Investitionssumme beläuft sich auf etwa 250 Millionen Euro. Im Herzen von Berlin soll ein urbanes Innovationscenter entstehen, welches Cafés, Restaurants und Bürogebäude für Startups vereint.