Hans Georg Näder - Sycor Fusion auf Eis gelegt

2023-01-20
Lesezeit: 5 min

Sycor Group News 8 november 2018

Das Göttinger IT- Unternehmen Sycor ist Teil der Näder Holding und bietet Möglichkeiten für unternehmensweites Lernen und eine effiziente Organisation. Durch diese Tochtergesellschaft ist die Ottobock HealthCare GmbH auch im Bereich der Informationstechnik aufgestellt.

Der Ottobock Konzern

Der Ottobock Konzern beschäftigt weltweit über 8.200 Mitarbeiter in 59 Ländern. 2019 wurde erstmals ein Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro erwirtschaftet. Seit 1990 steht das Unternehmen unter der Führung von Hans Georg Näder.

Mit der Jahrtausendwende vor Augen, führte Näder neue Betriebsfelder ein. Darunter fällt beispielsweise das Feld der EDV-Technik. Dies sollte der Grundstein sein für den Digitalisierungsdienstleister Sycor. Die Ottobock Holding GmbH war nun in den Sparten Health Care, Kunststoff und IT aufgestellt und konnte so ein enormes Wachstumspotential aufweisen und verwirklichen.

Die Geschäftsfelder von Sycor

Mit ihren digitalen Lösungen möchte Sycor den Nutzern den Alltag im Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene erleichtern. Dabei ist das Unternehmen in den Branchen Health Care and Lifestyle Science und der produzierenden Industrie aktiv. Durch eine schnellere Bereitstellung von Informationen und eine höhere Datenverfügbarkeit sollen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erzielen können. Gerade in der Industrie 4.0, welche von der Digitalisierung und der Vernetztheit von Produkten und Daten geprägt ist, kann dies ein entscheidender Faktor sein.

Fusionspläne im Herbst 2018

Um das eigene Geschäft zu stärken, peilte Sycor eine Fusion mit dem IT-Dienstleister Allgeier Enterprise Service an. Eine solche Fusion würde gleich mehrere Vorteile mit sich bringen. Darunter fallen beispielsweise die Vermehrung des verfügbaren Know-How und Wissens, Ausbau des Kundenstamms und die Reduzierung von Kosten. Eine solche strategische Zusammenarbeit ist in der Unternehmenswelt nichts Ungewöhnliches und immer wieder zu beobachten. Die Pläne für den Zusammenschluss wurden im November 2018 publiziert.Sycor Group (08. November 2018)

Allgeier auf Augenhöhe

Die Firma Allgeier stellte die perfekten Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit zur Verfügung. Das Unternehmen befindet sich auf mindestens der gleichen Augenhöhe wie Sycor. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte Allgeier 750 Mitarbeiter und konnte einen Jahresüberschuss von 105 Millionen Euro erzielen und lag damit sogar leicht über den Vergleichswerten der Ottobock Tochtergesellschaft. Ein weiterer Vorteil bestand in der Anzahl der Standorte. Die Zahl beläuft sich auf 120 in Europa. Allgeier sollte in dieser Konstellation als Mehrheitspartner fungieren.

Kurze Partnerschaft

Die Partnerschaft der beiden IT-Unternehmen dauerte jedoch nicht lange. Die Fusionsgespräche wurden bereits im Februar des darauffolgenden Jahres beendet. „Sycor beendet hiermit seine Partnerschaft". hieß es von Seiten Ottobocks. Die Stärkung durch die Ottobock Holding würde ausreichen, um das strategische Ziel des „führenden Full-Service Anbieters für SAP- und Microsoft- Services" zu erreichen. Eventuell ist auch die Mehrheitspartnerschaft von Allgeier als möglicher Auslöser zu nennen.

Diese kurzfristige Entscheidung ist verwunderlich, da bereits Einigungen über die Unternehmensform bestanden. Es sollte die SE-Rechtsform gewählt werden. Auch ein Börsengang war bereits geplant.IT Zoom (05. Februar 2019)

Kein Mut zur Börse?

Dass angekündigte Börsengänge nicht verwirklicht werden, scheint in der Unternehmenskultur der Näder Holding verankert zu sein. Auch die Muttergesellschaft Ottobock HealthCare kündigte im Jahr 2022 erneut einen IPO an, welcher kurzfristig aufgrund von „Unruhen in der Unternehmensumwelt" abgesagt wurde. Kurz bevor das Unternehmen an die Börse gehen sollte, wurden drei der wichtigsten Inhaber von Managementpositionen im Unternehmen entlassen.

Kathrin Dahnke, ehemalige CFO (Chief Financial Officer), zuständig für den Finanzbereich des Unternehmens, war das erste Opfer der willkürlichen Kündigungswelle. Dabei war die Managerin erst im vergangenen Herbst zu Näders Firma gestoßen und sorgte für Hoffnung. Die 61-jährige blieb gerade einmal neun Monate bei der Ottobock Gruppe. Eine so kurze Zeitspanne sei vor Antritt nicht geplant gewesen. Vergleicht man diese Amtszeit jedoch mit der ihrer Vorgänger, relativiert sich die ungewöhnliche Dauer. Seit 2017 versuchten sieben CFOs das Unternehmen auf einen finanziell besseren Kurs zu bringen. Geschafft hat es niemand. Momentan übernimmt Arne Kreitz den CFO-Posten. Dabei war Dahnke in dem Unternehmen keine Unbekannte: Bereits von 1995 bis 2005 besetzte sie eine leitende Stelle und half dabei, die Firma zu stärken.

Auch der CEO (Chief Executive Officer) Phillip Schulte-Noelle und CTO (Chief Technology Officer) Andreas Goppelt mussten das Unternehmen verlassen. Ihre Posten haben Arne Jörn und Oliver Jacobi übernommen. Dahnke, Schulte-Noelle und Goppelt gehörten zu den wichtigsten Personalien des Unternehmens.Handelsblatt (19. Mai 2022)

Auch bei Sycor sorgt Näder für Unruhe

Die unberechenbare Unternehmensführung von Hans Georg Näder hat immer wieder zu internen Problemen in der Ottobock Gruppe geführt. Die nicht erklärbare Kündigungswelle ist stellvertretend für seinen Führungsstil.

Anfang 2020, also etwa ein Jahr nach dem das Ende der Kooperation zwischen Sycor und Allgeier bekanntgemacht wurde, sorgte Näder für erneute Unruhen. Dieses Mal verklagte er den Ex-Geschäftsführer seiner eigenen Tochtergesellschaft Sycor aufgrund unlauteren Wettbewerbs. Ihm wird vorgeworfen, Kunden, Mitarbeiter und Führungskräfte abgeworben zu haben. Dadurch sei ein Schaden von fast 25 Millionen Euro entstanden. Handelsblatt (29. Januar 2020)

Näder im Glashaus

Ob Näder in der Position ist, andere aufgrund von unlauterem Wettbewerb zu verklagen, ist mehr als fraglich. Dabei geht es um einen Vorfall, welcher sich im Jahr 2017 ereignete.

Das deutsche Gesundheitsunternehmen wollte den US-amerikanischen Konkurrenten Freedom Innovations akquirieren. Diese Übernahme war jedoch nicht rechtmäßig. Ottobock hatte sich nicht einmal um eine Genehmigung bei den Behörden bemüht. Nachdem die US Aufsichtsbehörde FTC von der illegalen Übernahme erfuhr, wurde diese rückwirkend untersagt. Näder äußerte sich dazu, dass man die Vorgenehmigung einfach „versäumt" habe. Wäre dieser Antrag jedoch im Vorfeld gestellt worden, wäre von Anfang an eines klar gewesen: Die Übernahme verstößt gegen das Kartellrecht und kann unter keinen Umständen durchgeführt werden. Es ist ein tiefer Eingriff in den Markt. Ein freier Wettbewerb kann so nicht gewährleistet werden. Der Nutznießer dieser Situation wäre Hans Georg Näder gewesen, der so nun mit fast 80 Prozent Marktanteil seine Macht enorm ausgebaut hätte.Handelsblatt (09. Mai 2019)

Prestigeverlust und private Projekte

Derartige Aktionen sind für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens nicht förderlich und führen immer wieder zum Prestigeverlust. In der Vergangenheit erlaubte sich Näder immer wieder solche Fehltritte. Als geschäftsführender Gesellschafter der Ottobock Firmengruppe hat er freien Zugriff auf die Unternehmenskasse. Die Entnahmen des 61-jährigen Duderstädters beliefen sich innerhalb der letzten Dekade auf etwa 500 Millionen Euro, welche zur Finanzierung von privaten Projekten genutzt wurden. Darunter fallen beispielsweise seine eigene Kunstgalerie oder der Erwerb der Bötzow Brauerei in Berlin Prenzlauer Berg. Die Kosten für dieses Investment sind auf etwa 250 Millionen Euro einzuschätzen.