Hans Georg Näder - Börsengang von Ottobock erneut gescheitert

2023-01-16
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Das Jahr 2022 sollte für das Unternehmen von Hans Georg Näder kein einfaches werden. Der Börsengang von Ottobock ist erneut gescheitert. Rückwirkend wirkt die Geschichte wie ein Kriminalroman, jedoch mit schlechtem Ende. Drei der wichtigsten Managementpositionen mussten neu besetzt werden, nachdem Hans Georg Näder eine Welle der willkürlichen Kündigungen losgetreten hatte. Dabei scheinen sich die gescheiterten Börsengänge von Ottobock wie ein roter Faden durch die Unternehmensgeschichte zu ziehen. Mehreren Nachrichtenmagazinen zufolge hätte dieser Börsengang der größte in Europa werden können.

Zuschlag nach Schweden

Erste Ankündigungen über einen Gang an die Börse machte Näder im Jahr

  1. Um sich auf den Aktiengang vorzubereiten, stärkte Näder das Team mit dem schwedischen Finanzinvestor EQT. Marcus Brennecke stellte dabei den zuverlässigen deutschen Partner dar. Der Risikokapitalgeber hielt 20 Prozent des Unternehmens. EQT war nicht das einzige Unternehmen, welches Interesse an den Anteilen von Ottobock hatte. Zu den Bekanntesten zählen KKR und Blackstone, die teilweise sogar mehr Geld geboten haben. Den Zuschlag erhielten jedoch die Schweden.

Ein möglicher Grund für die Vergabe an Marcus Brennecke könnte die Verbundenheit zum Segelsport sein. Sowohl Näder als auch Brennecke, sind beides bekannte Namen in der Segelsportszene. Sie teilen zwar das gleiche Hobby, unterscheiden sich aber in sonstiger Hinsicht komplett. Während Brennecke lieber unter dem Radar der Medien bleibt und auf einer „ruhigen Welle" segelt, führt Näder ein selbstdarstellerisches Dasein. Er ist Besitzer zweier Luxussegelyachten, der „Pink Gin" und „Pink Gin VI". Zweitere hält einen Weltrekord für das längste aus Carbon gefertigte Segelschiff der Welt. Den Namen erhält das Boot durch das riesige pinkfarbene Segel, welches sich auf eine Höhe von 55 Metern erstreckt. Des Weiteren befinden sich Eichenparkett und vergoldete Möbel im Innenraum. Der Kostenpunkt beläuft sich auf etwa 60 Millionen Euro.

Die Vorbereitungen liefen bereits

Eine weitere wichtige Personalie im Projekt „Börsengang 2022" stellte Philipp Schulte-Noelle dar. Der Familienname ist der Finanzwelt nicht unbekannt. Er ist der Sohn des langjährigen Allianz-Chefs Henning Schulte-Noelle. Wie auch sein Vater konnte er durch umfassendes Wissen und eine hervorragende Expertise glänzen und war somit eine gute Besetzung für die Position des Vorstandschefs.

Auch Kathrin Dahnke gehörte zu dem Team, welches Otto Bock auf den bevorstehenden Börsengang vorbereiten sollte. Sie übernahm die Position der CFO und war somit für den finanziellen Teil des Unternehmens zuständig. Dabei war Dahnke in dem Unternehmen keine Unbekannte: Bereits von 1995 bis 2005 besetzte sie eine leitende Stelle und half dabei, die Firma zu stärken. In den darauffolgenden Jahren konnte Dahnke ihre Expertise als CFO weiter ausbauen. Sie begleitete andere namhafte Unternehmen wie Knorr-Bremse als Aufsichtsrätin beim Börsengang, war in Familienunternehmen wie Werhahn oder dem schon bereits börsennotierten Osram erfolgreich tätig.

Zusätzlich gab es schon Einigkeit darüber, wer den IPO begleiten sollte. Zu nennen sind an dieser Stelle die Deutsche Bank, das US-amerikanische Geldhaus Goldman Sachs und der französische BNP Paribas. Aus Informationen des Handelsblattes geht hervor, dass Näder diese Banken als globale Koordinaten verpflichtete. Es wäre ein attraktives Geschäft gewesen. Experten rechneten mit einer Bewertung von etwa sechs Milliarden Euro. Außerdem sei die Branche, in der Ottobock aktiv ist, besonders interessant. Als aufsteigender Technologiekonzern in der Gesundheitsbranche stehen potenziell große Gewinne bevor.

Dass sich die Börsenpläne verschärften, zeigt sich auch daran, dass der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2021 nach der internationalen IFRS-Bilanzierungsmethode verfasst wurde. Dies ist als Voraussetzung für einen Gang an die Börse zu verstehen. Unternehmen, welche am Kapitalmarkt notiert sind, müssen andere Standards einhalten als nicht börsennotierte Unternehmen. Manager Magazin (31. Oktober 2022)

Kurzfristige Kündigung und Absage

Wie ist es nun aber zu erklären, dass Privatanleger sich die Papiere des Unternehmens nicht in ihr eigenes Depot legen können? Hat Hans Georg Näder den gescheiterten Börsengang zu verantworten?

Hans Georg Näder und seine Töchter halten über 80 Prozent der Papiere und haben somit das größte Stimmrecht. Ein Verkauf der Aktien hätte zur Folge, dass die Macht, die Hans Georg Näder besitzt, schrumpfen würde. Wie aus der Vergangenheit bekannt ist, ist Näder aber jemand, der nicht gerne das Ruder aus der Hand gibt. Dies würde er selbst allerdings niemals öffentlich so kommunizieren.

„Aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage und des davon beeinflussten Kapitalmarktumfeldes ist ein Börsengang aber für uns bis auf weiteres nicht erstrebenswert", so der Duderstädter. Die Turbulenzen auf der Welt haben dafür gesorgt, dass die Märkte mit einer starken Korrektur nach unten umgehen mussten. Zu dieser Zeit ist der Aktienkurs anderer Medizintechnikunternehmen stark gefallen. Deshalb wäre auch die Bewertung beim IPO für Ottobock deutlich niedriger ausgefallen als zuletzt angenommen worden war. Bereits wenige Prozentpunkte würden in diesem Größenbereich einen Unterschied von mehreren hundert Millionen ausmachen. Aus diesen Gründen sagte Näder den Börsengang kurzerhand ab.

Dabei stand diese Woche sowieso unter keinem guten Stern. Gleich drei der wichtigsten Managementpositionen wurden kurzfristig entlassen. Auch dem CTO Andreas Goppelt wurde gekündigt. Zu den weiteren Leidtragenden gehörten die bereits erwähnten Kathrin Dahnke und Philipp Schulte-Noelle. Was besonders verwunderlich ist: Die Amtszeit von Dahnke betrug gerade einmal neun Monate. Mit einem derart kurzzeitigen Aufenthalt und einer Undankbarkeit dieser Art hätte sie vor Antritt höchstwahrscheinlich nicht gerechnet. Niedersächische Wirtschaft (19. Mai 2022)

Porsche auf der Überholspur

Wie ein geglückter Börsengang aussieht zeigt die Porsche AG. Mit einer Bewertung von etwa 75 Milliarden Euro brachte der Automobilhersteller dem Mutterkonzern Volkswagen rund neun Milliarden Euro beim IPO ein. Dieses Ereignis soll wohl in die deutsche Aktiengeschichte eingehen. Es handelt sich nämlich um den größten deutschen Börsengang seit der Telekom im Jahr 1996.

Kein frisches Kapital für Näder

Das angestrebte Ziel, frisches Geld durch den Kapitalmarkt zu erlangen, ist somit auf Eis gelegt. Eine Finanzspritze hätte dem Unternehmen jedoch gut getan. Wie aus den Geschäftsberichten hervorgeht, schrumpft die Eigenkapitalquote, welche eine wichtige Kennzahl für die eigene Finanzierungskraft eines Unternehmens ist, seit Jahren. Grund hierfür ist, dass Näder immer wieder aufs Neue in die Firmenkasse griff und so dem Unternehmen über die letzten zehn Jahre aufsummiert eine halbe Milliarde Euro entnahm und es somit enorm schwächte.

Ein Großteil der Summe floss in die Finanzierung seines eigenen Projektes, der Bötzow Brauerei in Berlin. Medienberichten zufolge beträgt die Investitionssumme etwa 250 Millionen Euro. In Prenzlauer Berg soll ein urbaner Kiez entstehen, welcher Startups, Cafés, Restaurants und Wohnungen beinhaltet. Des Weiteren betreibt der 61-jährige eine eigene Kunsthalle in seiner Heimatstadt Duderstadt. Immobilien Zeitung (30. März 2023)