OTTOBOCK - Professor Näder lädt zur Audienz

2022-06-04
Lesezeit: 6 min

welt.de 4 Juni 2022 OTTOBOCK: Professor Näder lädt zur Audienz, Von J. Dams, A. Ettel

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Ursprünglich sollte es ein Interview mit dem Hauptgesellschafter des Prothesenherstellers Ottobock werden. Auf viele Fragen hatte der aber nach dem abgesagten Börsengang keine Lust.

Hans Georg Näder ist Haupteigentümer und Chef des Verwaltungsrats beim Familienunternehmen Ottobock

Hans Georg Näder zeigt gern her, was ihm gehört. Die ehemalige Bötzow-Brauerei in Berlin zum Beispiel, am Rand vom Prenzlauer Berg. Die beiden Journalisten von WELT lässt er von einer Mitarbeiterin über das Gelände führen. Sie erzählt, was „Professor Näder“, der Milliardär aus Duderstadt, hier alles vorhat.

Wo früher Bier floss, solle ein Kiez im Kiez entstehen mit Wohnungen, Büros, Werkstätten und einem unterkellerten Areal für Feste. Vor mehr als zehn Jahren hat Näder das Gelände gekauft. Der Stararchitekt David Chipperfield soll den Masterplan für das Areal entworfen haben. Und der Berliner Sternekoch Tim Raue hat schon vorübergehend hier gekocht. 100 Millionen Euro wolle Näder in die Brauerei investieren, schrieb der „Tagesspiegel“ 2013.

Inzwischen hat Näder sein Berliner Büro im Eckturm des einstigen Haupthauses untergebracht. Für den Prothesenhersteller Ottobock, Teil der verzweigten näderschen Familienholding, ist die Hauptstadt ein wichtiger Standort. Hinter dem Büro ragt der Schornstein der Brauerei empor, das Wort „Futuring“ prangt daran. Das Fantasiewort solle für Aufbruch stehen, erzählt die Mitarbeiterin. Bei Ottobock war zuletzt aber eher Abbruch angesagt.

Ausgerechnet in der Woche, in der ein lange geplantes Interview von WELT mit Näder stattfinden sollte, trennte sich Ottobock zunächst von seiner Finanzchefin. Wenige Tage danach verlor die Firma auch noch den Vorstandschef und den Technikvorstand. Zeitgleich stoppte Näder die Börsenpläne für die Firma.

Genug Stoff für ein langes Gespräch, sollte man meinen. Zumal Näder, der das Familienunternehmen jahrzehntelang selbst geführt hat, als Haupteigentümer und Chef des Verwaltungsrats bei wichtigen strategischen Entscheidungen weiterhin das Sagen hat, gemeinsam mit der seit 2017 beteiligten Risikokapitalfirma EQT, die 20 Prozent der Anteile hält.

Doch im Gespräch nach dem Rundgang zeigte der 60-jährige Honorarprofessor der Technischen Fachhochschule Göttingen und der privaten Hochschule HAWK, den Mitarbeiter daher oft als „Professor Näder“ bezeichnen, wenig Lust, Fragen zu beantworten: weder zum Börsengang (IPO), der zu diesem Zeitpunkt seinen Worten zufolge noch aktuell war, noch zum überraschenden Personalkarussell bei Ottobock. Und erst recht nicht zum Zahlenwerk der Ottobock SE & Co. KGaA, das – im Bundesanzeiger veröffentlicht – jede Menge Fragen aufwirft.

Es gibt Erklärungsbedarf für eine Firma, die beim Börsengang das Geld anderer Leute haben möchte: Zum Beispiel, warum zumindest die veröffentlichten Bilanzen der Ottobock SE & Co. KGaA den Eindruck vermitteln, dass die Unternehmerfamilie seit Jahren mehr Geld aus der Firma entnimmt, als diese verdient? Näder hat auf solche Fragen keine Lust: „Da wir in dieser Kommunikation jetzt ja nicht weiterkommen, stellen Sie mir zu Ergebnissen und Tralala die Fragen schriftlich, die werden wir beantworten“, sagt er.

Der Hinweis, dass wir das Interview beenden würden, wenn Näder keine Fragen zum Zahlenwerk der Firma beantworten wolle, half nicht. „Ich hatte mich gefreut auf einen vielfältigen Nachmittag mit Ihnen“, sagte Näder daraufhin. Das Gespräch wurde abgebrochen. WELT schickte die Fragen im Anschluss schriftlich an Ottobock. Die Antworten der Firma werden hier auszugsweise abgedruckt.

WELT: Sie haben im Abstand von wenigen Tagen erst den Abgang von Finanzvorständin Kathrin Dahnke und danach den von Vorstandschef Philipp Schulte-Noelle sowie von Technikchef Andreas Goppelt verkündet. Warum in zeitlich so kurzem Abstand nacheinander?

Antwort: Aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage und des davon beeinflussten Kapitalmarktumfeldes hat der Verwaltungsrat entschieden, dass ein Börsengang bis auf Weiteres nicht erstrebenswert ist. Der Verwaltungsrat hat dann das individuelle Gespräch mit den GeschäftsführerInnen gesucht. Nachdem wir mit den jeweiligen GeschäftsführerInnen gesprochen hatten, haben wir dies mitgeteilt.

WELT: Stimmt es, dass Schulte-Noelle von sich aus gegangen ist?

Antwort: Philipp Schulte-Noelle ist mit der Ambition zu Ottobock gekommen, das Unternehmen an die Börse zu bringen. Herr Näder, Herr Brennecke (Markus Brennecke ist Co-Chef Private Equity bei EQT, Anm. d. Red.) und Herr Schulte-Noelle haben stets ein respektvolles und vertrauensvolles Verhältnis gepflegt. Als die Eigentümer entschieden haben, dass aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage und des davon beeinflussten Kapitalmarktumfeldes ein Börsengang bis auf Weiteres nicht erstrebenswert ist, haben sich Herr Näder, Herr Brennecke und Herr Schulte-Noelle über die Zukunft ausgetauscht und im gegenseitigen Einvernehmen entschieden, dass Philipp Schulte-Noelle das Unternehmen verlässt.

WELT: Warum ist die Zahl der Personalwechsel bei Ihnen in der Chefetage so groß?

Antwort: Ottobock ist ein dynamisch wachsendes Healthtech-Unternehmen. Mit dem Einstieg von EQT im Sommer 2017 begann eine neue Phase für das Familienunternehmen: Damals wurde das inhabergeführte Unternehmen auf eine Geschäftsführung durch externe Manager umgestellt. Dieser Prozess ist in den meisten Familienunternehmen komplex.

WELT: Früheren Berichten zufolge wollte sich Ottobock über den IPO Zugang zu neuen Geldquellen erschließen, um Wachstum zu finanzieren. Ist das korrekt?

Antwort: Der Zugang zum Kapitalmarkt ist immer eine gute Alternative zu Fremdkapitalfinanzierungen und dem starken Innenfinanzierungspotenzial unserer Organisation aus dem operativen Cashflow. Ottobock verfolgt eine offensive Wachstumsstrategie. Wir wollen sowohl organisch als auch durch gezielte Akquisitionen weiterwachsen. Außerdem werden wir unseren Weg fortsetzen, die Wertschöpfungskette in der Orthopädietechnik zu digitalisieren.

WELT: Wie wollen Sie die geplante Wachstumsstrategie nun umsetzen, ohne dafür frisches Kapital aus einem Börsengang zur Verfügung zu haben? Oder stellen Sie diese Strategie nun zurück?

Antwort: Ein Börsengang wäre eine von mehreren Optionen gewesen, um zusätzliche finanzielle Mittel in das Unternehmen zu bringen. Gleichzeitig hat Ottobock langjährige Bankpartner an seiner Seite, mit denen wir unser Wachstum der vergangenen Jahre ebenfalls gut finanzieren konnten. Diese Möglichkeit steht Ottobock weiterhin zur Verfügung.

WELT: Ist es korrekt, dass EQT bereits nach einem Käufer für die eigene 20-Prozent- Beteiligung bei Ottobock gesucht hat?

Antwort: Nein, das trifft nicht zu. Für EQT hat Ottobock bis dato alle Kriterien eines erfolgreichen Investments erfüllt. EQT hat einen langfristigen Anlagehorizont und sieht sich unter keinerlei Handlungszwang.

WELT: 2020 haben Sie mit der Ottobock SE & Co.KGaA 20 Millionen Euro Verlust gemacht, die Konkurrenz von Ossur hat acht Millionen Plus gemacht. Wie ist dieser Unterschied zu erklären?

Antwort: Bei dem von Ihnen zitierten Ergebnis handelt es sich um den Jahresüberschuss des Einzelabschlusses der Ottobock SE & Co. KGaA. Die Ottobock SE & Co.KGaA ist lediglich ein Teil der Ottobock SE & Co. KGaA Unternehmensgruppe. Der IFRS Konzernabschluss der Ottobock SE & Co. KGaA hat in dem von Ihnen erwähnten Zeitraum einen Jahresüberschuss im zweistelligen Millionenbereich erwirtschaftet.

WELT: Schon vor Corona im Jahr 2018 hat das Unternehmen laut Bundesanzeiger Verluste ausgewiesen. Wie ist das zu erklären?

Antwort: Ottobock setzt seit Jahren seine nachhaltige Wachstumsstrategie erfolgreich um. Dabei lag und liegt der Fokus klar auf profitablem Wachstum. Fakt ist, dass die Ottobock SE & Co. KGaA Unternehmensgruppe ihren Umsatz zwischen 2010 und 2019 kontinuierlich auf mehr als eine Milliarde Euro gesteigert hat. Auch der operative Gewinn konnte in den vergangenen Jahren gesteigert werden. Eine Ausnahme ist das Jahr 2018, in dem aufgrund hoher Sonderabschreibungen im Zusammenhang mit der Freedom-Innovations-Akquisition ein negatives Jahresergebnis ausgewiesen wurde.

WELT: Die Eigentümer von Ottobock haben zwischen 2016 und 2020 rund 455 (2019: 420 Mio. Euro) Millionen Euro mehr entnommen, als sie beim Jahresüberschuss ausweisen. Warum?

Antwort: Die Entnahmen der Eigentümer in den genannten Jahren umfassen Sondererlöse der Eigentümer, nicht der Ottobock SE & Co. KG. Diese sind also vom Überschuss der Ottobock SE & Co. KG unabhängig. Bitte beachten Sie die unterschiedlichen Konzernebenen und Gesellschaften. Für die Ottobock SE & Co.KGaA Unternehmensgruppe gilt: Aufgrund der erfolgreichen Entwicklung unseres Unternehmens gab es in den vergangenen Jahren regelmäßig Dividendenausschüttungen an die Eigentümer. Diese folgten dabei der Vereinbarung zwischen den Eigentümern. Die Dividende stand immer in einem gesunden Verhältnis zur Ertragskraft und dem Cashflow der Ottobock Unternehmensgruppe. Entnommen wurden stets nur Mittel, die für die Umsetzung der Strategie der Unternehmensgruppe nicht nötig waren.

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